9. Mai 2023

„Hände, die schenken, erzählen von Gott …“

„Ich vergesse dich nicht. Ich habe dich eingezeichnet in meine Hand.“ (Jes. 49, 15f.) Im Alten Testament in der Bibel finden sich diese Sätze beim Propheten Jesaja. Sie machen deutlich, dass Gott den Seinen nahe ist und bleibt. Komme, was da wolle. Für wen habe ich etwas übrig? Eine offene Hand? Wem gegenüber bin ich großzügig und bereit, ihr oder ihm etwas zu geben?

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„Hände, die schenken, erzählen von Gott …“

Der ehemalige, 2021 verstorbene Erfurter Theologieprofessor und katholische Priester Claus-Peter März hat diese Zeile verfasst, die zusammen mit anderen als „Neues geistliches Liedgut“ vertont wurde. Wie können Hände von Gott erzählen? Manches. Was mache ich alles mit meinen Händen? Menschen und Gegenstände berühren zum Beispiel. Oder sie streicheln, meine Hände. Menschen kann ich damit begrüßen. Aber auch abwehren und möglicherweise sogar schlagen. Wenn ich meine, Grenzen setzen zu müssen, falls mir mal jemand zu nahekommt.

Die „Kraft der heilenden Berührung“ durften zur Zeit Jesu Menschen erfahren, die von Krankheiten gequält waren. Viele hat Christus wieder gesund gemacht. Manche sogar zum Leben erweckt. Obwohl sie schon tot waren. Jesus hat nie danach gefragt, ob sein Gegenüber es „verdient“ hatte oder dessen würdig und wert war.

 

„… sie sagen, dass er mich erhält.“

Was hält mich am Leben? Wer oder was lässt mich wirklich leben? Wer oder was macht mir Mut, Leben zu wagen? Muntert mich auf? Schenkt mir neue Hoffnung, wenn ich nicht mehr weiter will oder weiter kann? Gerade an einer Schule wie dem Elisabeth-Gymnasium, wo sich um die tausend Lernende, Lehrende und Unterstützende Tag für Tag begegnen, mögen Fragen wie diese nicht unwichtig sein. Wenn ein gutes, gelingendes Miteinander auch über vielerlei Unterschiede, Wertvorstellungen, Grenzen und Prioritäten hinweg nicht nur ein frommer Wunsch bleiben soll. Leben und leben lassen, einander ertragen und verzeihen, einander respektieren und akzeptieren. Dieses und viel mehr sind nicht nur in einer Schule Grundlagen. Das ist wertvoll und wichtig.

 

„Hände, die schenken, erschaffen mich neu …“

In der Apostelgeschichte im Neuen Testament in der Bibel schreibt Paulus „Geben ist seliger als nehmen!“ (vgl. Apg. 20, 35). Wenn ich gebe, ohne immer wieder nachzufragen „Was bekomme ich dafür?“ besteht die Gefahr, dass ich ausgenutzt werde. Doch muss ich nur mich und mein eigenes Wohl über alles setzen? Immer nur nehmen? Nicht bereit sein, mit offenen Händen zu geben, zu teilen und vorbehaltlos zu schenken? Wenn ich an mich denke, kann es sein, dass ich früher oder später als Egoist und Schmarotzer abgestempelt werde und allein bleibe. Weil niemand mehr mit mir etwas zu tun haben will. Wenn und weil ich mir selbst am nächsten bin.

 

„… sie sind der Trost dieser Welt.“

Dass es Leid in der Welt gibt seit Anbeginn, ist nichts Neues. Dass Menschen immer wieder Trost brauchen – und ihn auch finden können, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen. Mich tröstet immer wieder, dass Menschen selbstlos sein können. Dass sie austeilen, geben und verschenken können. Dass sie Schwachen helfen, Hilflose unterstützen. Dort nicht wegsehen, wo sie nicht nur reden, sondern handeln können. Trotz all dem, was Menschen einander antun, ist eine helfende Hand manchmal näher als manche meinen.

Jene offene Hand aus Eichenholz, die in unserem Schulhort ihren Platz gefunden hat, ist ungewöhnlich und wohl auch einzigartig. Sie hat nicht nur fünf Finger, sondern acht. Drei sind es mehr als bei jeder menschlichen Hand. Ob der Künstler damit deutlich machen möchte, dass ich stets eine offene Hand haben darf? Für das, was andere mir schenken, und sei es noch so klein? Dass ich geben und teilen darf mit denen, die Unterstützung brauchen. Jenen, die dankbar sind für etwas, das ich für sie habe. Diese übergroße Hand ist keine Faust. In einer Zeit wie der unseren ist das nicht immer selbstverständlich.

 

Br. Clemens Wagner ofm, Schul- und Gemeindeseelsorger